Günther Orth

Abdalkarim ar-Razihi

Früher einmal
hatte ich ein Heimat
und eine Mauer aus Freunden.
Ich hatte einen Platz zum Schreien
und eine breite Straße zum Weinen.
Jeden Morgen brach ich
aus meinem Zimmer auf
und gelangte am Abend
in eine Gasse im indischen Viertel.
Nach Hause kam ich zurück
beschmutzt von Frauen
und dem Gebrüll von Soldaten.

Das Zelt

Der Mond ist verschwunden.
Die Beduinin steht am Zelteingang
und glänzt nackt in der Nacht.
Wie eine Stute
wiehert sie hungrig
und ruft:
Wer erwürgt mir diesen Beduinen?
Wer tötet diesen Schnarcher und raubt mich?
Ich bin die Tochter des Scheichs,
meine Nächte sind dunkel wie die Nacht,
meine Tage sind eine Schmach.
König der Sterne, Herr der den Regen macht,
heut nacht bitt ich dich um eine Wolke,
die meine Jugend mir entführt,
den Zimtprinzen in meiner Brust sich schnappt
und mit ihm die unbezwingbare Macht.

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