(Alte Handschriften von al-Mutanabbi,
neu entdeckt; 1998)
Günther Orth
Hischam al-Futi
(Gestorben 211 oder 221 isl. Zeit. Philosoph der rational ausgerichteten Mu’tazila-Schule, die die Erschaffenheit des Koran vertrat, wegen seiner Ansichten als „Satan“ verketzert)
Hischam sagte einst:
„Blieben die Menschen ohne Feindschaft und Gram,
so bräuchten sie
nie mehr einen Imam.“
Wahr ist‘s, es braucht nur da einen Sultan,
wo Feindschaft herrscht und Unrecht wird getan
Nannten sie ihn dafür wohl Satan?
Abu al-Atahiya
(Gestorben 211 isl. Zeit. Kalif al-Mahdi al-Abbasi ließ ihn einsperren, weil er keine Poesie mehr verfasste, und drohte ihn zu töten, sollte er nicht wieder dichten)
Er gab das Dichten auf und wollte keine Verse mehr vortragen.
Welch heimlichen Grund gab’s für diesen Entscheid?
Ist Dichtung nur Spiel, ein Weg ohne Ziel,
der nichts uns lehrt als flüchten weit?
War’s das Gefühl, es sei nur Abenteuer, ein Fall ins Bodenlose jederzeit?
Und was erboste sich der Kalif und kerkerte ihn ein?:
„Gefangen sollst du bleiben,
fängst du nicht wieder an,
zur Hinrichtung halte dich bereit!
Ich gebe dir noch einmal Zeit.“
Er nahm das Dichten wieder auf, und wurde aus der Haft entlassen.
Doch was für Dichtung schrieb er fortan:
Warn’s Verse zum Lob des Kalifen,
oder Poesie von Selbstehrung und Leid?
Jener Dichter, der Verkäufer war von Tonkrügen zu Beginn seiner Zeit...
Ahmad ibn Hanbal
(Gestorben 855, Begründer einer der vier sunnitischen Rechtsschulen. Verbrachte 28 Monate im Gefängnis, weil er die Meinung der Mu‘tazila, der Koran sei erschaffen, nicht unterstützte)
Vor die Wahl gestellt, eingesperrt zu sein oder etwas zu sagen, was er nicht gut hieß,
entschied er sich für die Nacht des Kerkers: Gedanken sind mal Wunde,
mal Messer,
mal Licht.
Müssen wir dafür vergehen,
dass das Feuer des Sinns immer neue Nahrung erhält?
Chaulas Gedichte
(Gestorben 352 isl. Zeit, ältere Schwester des Saifaddaula (Herrscher in Syrien 945-967, der sich um die Förderung von Kunst und Wissenschaft verdient gemacht hat), hatte der Überlieferung zufolge eine Liebesbeziehung zu dem Dichter al-Mutanabbi)
In der Sonne sah ich heute den Schatten deines Körpers
auf meinem Bette.
*
Alle Zeit wird zu Staub, du Wasser meines Lebens,
wirst du mich wohl besuchen? Ich bitte dich, komm vorbei.
Meine Tür bleibt dir geöffnet –
Die Wächter? Sie sind genauso verliebt,
haben ihre geheimen Verabredungen und Treffen.
*
Das Bett, auf dem ich dir begegnen werde,
am Abend wohl,
auf dem sich der Duft vermischt von Rosen
und Moschus und Räucherwerk,
bringt’s an den Tag.
Es glänzt in der Pracht von Palmen
und einer Oase, die
in Tagen voller Sehnsucht
die Hüften von Gazellen gezeichnet haben.
Das Bett, auf dem ich dir begegnen werde,
am Abend wohl, heute abend,
soll unser Bund sein, welcher unsre Wälder
durchdringt.
*
In das Bett, welches uns umschlungen
schreibt die Liebe, schreiben die Träume und Begierden
ihr Tagebuch,
so wie das Ackerland berichtet
von dem, was die Jahreszeiten ihm erzählen.
*
Kein Blut mehr fließt in meinen Adern
denn jenes, das er mir entgegenschießt.
Mein Zimmer wälzt sich in Feuer
und flüstert seinen Wänden zu:
Ich glaub es nicht – meine Nacht, mein Traum,
die Fenster und die Tür: All dies
ist wie Licht,
das ihm entströmt, der mich gefangennahm.
Ich bete, dass seine Fesseln
mir noch enger werden.
*
Der Tod ist ein Gefangener,
den du und meine Liebe bewachen.
*
Mein Herz ist eine Insel,
an der die ersten Schiffe der Liebe vor Anker gehen,
zu der die ersten Winde der Liebe wehen.
Der Kapitän ist kein anderer als du.
Stich mit uns in See, segle zu uns, wie’s dir behagt,
wie immer du magst.
*
Letzte Nacht träumte ich, du seist ein Fluss.
Und ich tauchte in dir bis auf den Grund
und trieb zum Meer.
*
Ich kann’s nicht glauben, jedoch
mein Körper wurde eifersüchtig
auf mich, als ich zu meinen Gedanken sprach:
Besucht ihn heut nacht, bringt ihm meine Nachricht
und umarmt ihn von mir.
*
All diese Monate
schlief ich stets
unter der Decke, die uns einst eingehüllt,
unter der wir unsere ersten Geheimnisse lüfteten.
Sie gibt meinem Gesicht, meinem Körper, meinen Augen neue Farbe,
ja der ganzen Welt im Jetzt und Gestern,
sie ist mir wie mein reinstes Wasser.
*
Im Fastenmonat
zog ich neue Kleider an
ich wechselte die Nachtgewänder
zog neue Laken auf mein Bett und meine Kissen
um nur mein Fasten einzuhalten
um während meines Schlafs
nichts als dein Feuer zu berühren.
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