Aus: Biographie in Kohle
Aus dem Arabischen von Leila Chammaa
Zufriedenheit ist der Stolperstein und die Schwäche der Toten
sagte er
außerdem sagte er:
wie ein stiller See
senkt meine Seele sich auf die Erde
meine Worte sind im Gras
mein Schrei in den Bäumen
mein Zögern im Schatten.
Was ich nicht aussprach
verdichtet sich wie die Finsternis in Brunnen.
Da du nun hierher gelangt bist
wirst du nicht weiter blicken können.
Ich aber,
fügte er hinzu,
folge dem Weg meines Herrn.
An anderer Stelle sagte er:
wie ein knapper Trauerzug
strauchelt der Blick
der Tag geht zu Ende
und der Tod erscheint als extremes Ereignis
verursacht durch Eile
außerdem:
wie ein wirres Feld
lege ich Gedichtanfänge in die Erinnerung.
Und lausche dem Flügelschlagen.
Erbarmungslos denken die getöteten Feinde an mich in ihrem ewigen Schlaf
unterdessen schleichen Gespenster die Treppe herauf in alle Winkel des Hauses
Gespenster, die ich von der Straße auflas und die ich wie Ketten von Hals und Vergehen der anderen sammelte.
Das Vergehen legt sich um den Hals
und dort hege und nähre ich meine Gespenster
Gespenster, die wie schwarze Pferde durch meine Träume schweben.
Mit der Entschlossenheit eines Toten erhebt sich der letzte Blues
und ich mache mir Gedanken über Eifersucht
die Tür ist angelehnt, durch den Spalt dringt Atem herein,
der Atem des Flusses, der Betrunkenen
und der Frau, die im Park ihre Vergangenheit beschimpft.
Kaum sinke ich in den Schlaf,
sehe ich ein Pferd, es weidet im Gras
immer, wenn ich in den Schlaf sinke,
erscheint ein Pferd und weidet meine Träume ab.
Seltsam, die Jahre des Salzes
als seien sie für andere bestimmt
wie eine perfekte Tragödie
nun zur Vollendung gelangt
sie beginnen zu atmen, kaum erinnern wir uns an sie
Hügel, vergessen an müden Hängen
Berge, die gen Westen keuchen
umherirrende Wagen Getöteter
und der bedingungslose Glaube der Verstorbenen.
Hände, die aus dem Dunkel auftauchen, um dir alles zu berichten
tiefe brüderliche Verbundenheit, die zu keiner Weisheit führt
Sprache, die nicht mehr taugt für die Orte in den Höhen.
Seltsam, die Jahre des Salzes
missachtet wie schlechte Saat
allein im Abgrund nun.
Und während wir aufwärts steigen, weil es eben so ist,
fallen ohne Wiederkehr vereinsamt hinter uns zurück
unsere dunkle Haut
die Erfahrung von Schlaf
lange, in die Ewigkeit reichende Namen und Titel
auch Dialekte, die auf nutzlos gewordenen Dörfern deuten.
Seltsam, die Jahre des Salzes
taugen nicht einmal mehr, um sich an sie zu erinnern.
Vier Schwestern erklimmen den Berg
allein
gekleidet in Schwarz.
Vier Schwestern seufzen vor dem Wald.
Vier Schwestern in der Dunkelheit
lesen klamme Post.
Hinter diesem Bild fuhr ein Zug,
der Zug aus ’Artuf.
Ein Pferd wieherte am Abhang jenseits der Ebene,
auf dem Rücken ein Mädchen aus Zakariya.
Wolken zogen langsam
durch das Tal.
Vier Schwestern aus Zakariya
am Hügel
allein
gekleidet in Schwarz.
Im Dunkeln,
wo die Vergangenheit
um die Stufen kreist
gefaltet
wie ein kaltes Hemd,
straucheln die Herzen der Verstorbenen.
Ihr raschelndes Wandeln im Gang
erinnert an modrige Pflanzen
oder ergeben beipflichtende Augen.
Die Stufen ziehen fort, aufgestützt und einsam
zu einem von Gewölben umhüllten Weiß.
Keine Zeit ist ihnen genug
keine Zeit, und enttäuscht
ihre Wünsche führen sie mit sich, weiß
und die Einsamkeit
im Inneren.
Wer hat an uns gedacht, dass wir uns erheben, im Dunkeln
gebissen von unserem Bild
weiß von den Spuren des Schlafs?
Gewölbe lösen sich von uns
ermattet verblassen sie in den Gängen.
Wer hat an uns Alte gedacht?
Auf Wagen zogen wir ins Exil
zurück aber kehrten wir
alt
und ohne Wagen.
Jenes Rauschen, das in der Kindheit aufstieg
vom Fluss
dorther, wo die Hügel hinab ans Wasser stürzten, sobald wir schliefen
wo die Felder sich erhoben in der Nacht, nach dem Abendessen
hinauf zum Kloster
jenes Rauschen, das ich undeutlich aufsteigen hörte
nach al-Karama und as-Salt
dorthin, wo Hunde vergeblich bellten
jenes Rauschen, das den Ort durchzog
sich ausbreitete unter Steinbänken, Häusern und Stroh,
holt mich wieder ein
in Nordafrika nun
Pferde galoppieren auf den Stein der Vierzig zu
und aus den Anfängen des Lebens, den entlegensten Erinnerungen
bellen unerbittlich die Hunde im Hof.
Wohin ziehen,
wenn die Häuser erloschen sind,
die Straßen?
Wohin ziehen sie, wenn ich wandle
wie ein Wink aus der Vergangenheit
einsam im Geflüster der Vierzig?
Wohin gehe ich,
wenn ich der Ikone der Erinnerung entstiegen bin,
gerufen
im Land der Dämonen?
Glücklich
wie ein Geräusch schwirre ich umher
oder
wie ein Blinder,
der sich strauchelnd vorwärts tastet.
Wenn er hinabsteigt
wenn beobachtet wird, wie er hinabsteigt
oder wenn wir meinen, dass er gerade hinabsteigt.
Langsam und schweigend.
Sein Mangel ist vollkommen,
wenn er an den Pflanzen horcht.
Voller Argwohn steigt er hinab.
Endloses Schweigen geht von ihm aus
er ist nicht „wir“
und ist nicht „hier“
das Sterben beginnt.
Er hat eine Blume gekauft
eine Blume, nichts weiter
ihr ist weder Gefäß noch Entfaltung vergönnt.
Vom Hügel überblickt er die Straßensperre des Militärs, die Fallschirmjäger
überblickt die Einwohner, die Berghänge, die einzige Straße
wo sie ihre Fußspuren auf Felsen, im Lehm und im Wasser hinterlassen.
Auch die Schäden sind vom Hügel zu sehen
unbeachtet liegen sie da.
Zerbrechlich ist er im Schatten
dort, wo er, ein Jude mit Schnurrbart
den toten Arabern hier gleicht.
Die Höhlen an den Hängen sehen alle friedlich aus
auch die Straße wirkt wie eh und je.
Während er hinabsteigt
schauen unablässig die Höhlen in den Bergen
blinzelnd vor Kälte.