Heute Nacht
hatte ich einen Traum.
Ich sah Brüder und Schwestern
zusammen im Ring.
Ich sah Mütter und Väter auf der Flucht
vor der Stimme,
die aus dem Meer aufstieg,
die aus dem Wald schallte,
die von den Gipfeln pfiff. Ich sah
tanzende Vögel.
Wach auf! Du schläfst schon lange. Wach auf!
Hol aus dem Schrank die alte
mazedonische Rüstung. Trink
den Morgentee. Trink ihn allein!
Und rückwärts geh, immer nur rückwärts!
Sieh in den Becher! Auf die abschüssige
dampfende Leinwand. Fantastisches Segeltuch!
Gesichter erscheinen, sie schauen dich an. Sie leben.
Was sagen sie?
Geh durch die Passage! Kannst du nicht
durch die Passage gehen? Was sagen sie?
Down by the boat my people.
Whiffed against the sloping silk
of morning tea.
Die Leute am Boot, sie machten ein Feuer
am Strand. Sie schienen
zu warten. Die Lautenspielerin
spielte sehnsüchtige Melodien.
Sie warten auf dich, mein Freund. Willst du nicht
hinuntergehen und sie begrüßen? Willst du
ihre Namen nicht wieder hören
nach all der Zeit?
Es war einmal
ein Fischerkönig
der sang so schön, dass alle Fischersleut'
und alles Meeresvolk
und alle Dorfesleut'
ihm dienen wollten. So schön sang er,
dass die Meerjungfrauen
um ihn warben. Er sang den Regen herbei
und die Ernte. Er rief die Menschen zusammen
und die Dschinnen
und die Tiere, und ein Fest war
das Leben. Bis eines Tages
er traurig wurde. Bis eines Tages
die Hitze kam. Und trotz seiner Tränen
war trocken geworden
das Meer. Was danach geschah,
weiß niemand.
Schläfst du noch?
Träumst du noch? Hast du gesehen
die Leute am Boot? Hast du zugehört
der Lautenspielerin? Wach auf!
Finde zurück!
I remember: manquer. I remember:
"Those are perls that were his eyes."
Das ozeanische Mädchen. Ich traf sie
in Karthago. Sie zog heraus
den Nagel. Da war Schmerz. Da war
Erleichterung. Wir standen in der Scheune.
Über die grünen Hügel
kamen Reiter,
wie ein Gazellenschwarm. Schon griff ich
nach der Heugabel, doch sie
blieb nicht bei mir. Sie ging
in die Morgensonne, sie ging
mit den Reitern.
Kühl war die Scheune, wie die Pyramide
in der Wüste. Ich blieb zurück.
Ich konnte nicht heraus. Ich konnte nicht. Es war
ein Traum.
Ich konnte nicht. Man hat mir
meinen Namen
nicht gesagt. Das Volk,
es ist dasselbe Volk. Sie saßen
auf dem Sarkophag. Sie verzehrten sich.
Jemand ließ Licht
in den Raum. Dann gingen sie fort. Sie gingen wieder
fort.
Ich rufe
durch die Passage,
wie durch einen Tunnel.
Es hallt.
Ich suche
das Zeitfenster. Es muss da
sein. Es gibt keine andere Möglichkeit.
Leben? Gibt es Leben
dort?
Erinnerung. Der Krieg. Es waren
meine eigenen Ritter. Sie wissen es noch.
Sie wissen, was geschieht,
wenn ich erwache. Ich bin
der König. Sie wissen,
warum das Meer trocknete. Sie kennen
die Geschichte. Lass mich nicht
von vorn...
Aber jetzt... nicht schon wieder! Das Licht. Jemand
hat Licht
in
den
Raum
gelassen.
Es ist
warm. Es ist
gut. Es
kitzelt.
So still
ist es gewesen.
Schwach
bin ich. Die Leute
am Boot. Wie lange...
Was geschah
zum Schluss?
Das Zeitfenster, das Sternentor,
ich werde es finden.
Was werden sie tun? Was werden sie
verstehen? Ja,
es ist gut. Da waren
Wiesen
und Wälder.
Da war
das Meeresvolk. Wir...
Wir... Da war die Wüste.
Die Priester. Die Dunkelheit.
Licht-
strahlen.
Ja. Ich...
Ich habe Hunger!
Anis Hamadeh, Dichter, geboren 1966 in Hamburg, Mutter Deutsche, Vater gebürtiger Palästinenser, seit den 70ern deutscher Staatsbürger. 1971 Umzug nach Neubeckum/Westfalen. Zivildienst und zwei Jahre Ausland, Bagdad mit 16, Alexandria mit 22. In Hamburg Studium der Islamwissenschaft, Anglistik und Linguistik. Meister der Künste (M.A.). Von 1999 bis 2004 in Kiel, fünf Semester als Arabisch-Dozent an der Uni Kiel, seit April 2001 freier Künstler und Journalist. Im Februar 2004 literarische Ägyptentournee (DAAD), im Mai 2004 Shalom-Salam-Tournee mit dem Duo Rubin. 2005 Umzug nach Hamm.
Weblink: Zu Werk, Veröffentlichungen und Presse, siehe www.anis-online.de.