Die Exil-Autoren Amer Matar (links) und Qassim Haddad (rechts) im Gespräch mit Josef Haslinger, dem Präsidenten des deutschen PEN mit Sitz in Darmstadt. Foto: Claus Völker
Sie stammen aus Bahrain und Syrien und leben in Deutschland, denn im eigenen Land drohen Haftstrafen und Folter: Qassim Haddad und Amer Matar nehmen als Stipendiaten am Programm „Writers in Exile“ teil, am Freitag stellten sie sich im Darmstädter Literaturhaus vor.

Autoren im Exil – Das deutsche PEN-Zentrum in Darmstadt stellt Qassim Haddad und Amer Matar vor

DARMSTADT.

„Schreiben heißt, unverbrauchte Luft zu atmen“, sagt Qassim Haddad im Darmstädter Literaturhaus. Für Amer Matar bleibt das Grauen des Krieges: Exil bedeute nicht, bequem in Freiheit zu leben. Für viele bedeute es weiterhin größtes Leid. Sie haben extreme Verletzungen hinter sich, und als Schreibende nicht nur ihre Sprache verloren, „das Meer, in dem sie baden“, sagte die Darmstädter Autorin Katja Behrens am Freitag im Darmstädter Literaturhaus. Dort stellte die deutsche Sektion des Darmstädter PENZentrums zwei Autoren aus seinem Programm „Writers in Exile“ vor.

Jochen Partsch setzt sich für Stipendium ein

Viele der Exilanten plagten Schuldgefühle, sagt Behrens, die von 2007 bis 2009 Vizepräsidentin des deutschen PEN war. Deshalb „müssen wir für sie Sorge tragen.“ Auch Jochen Partsch bekräftigte in der Gesprächsrunde mit Behrens, dem Moderator und Literaturwissenschaftler Heiner Boehncke und Josef Haslinger, dem Deutschland-Präsidenten der Schriftstellervereinigung, die Notwendigkeit, das PEN-Zentrum zu unterstützen. „Ich denke nicht daran, das städtische Elsbeth-Wolffheim-Literaturstipendium für gefährdete Schriftsteller zu reduzieren“, sagte der Darmstädter Oberbürgermeister. „Wir brauchen Orte, wo diese Geschichten vorgetragen werden“, erklärte Partsch sichtlich bewegt: „Ich weiß nicht, wann ich zuletzt etwas so Erschütterndes gehört habe!“ Es ist ein schier unerträglich langes Gedicht, das Amer Matar über den syrischen Krieg geschrieben hat, welches den Oberbürgermeister so berührt: „Weil ich die Leichen nicht am Stück wegschaffen kann / trenne ich die Beine ab…abgetrennte Ohren an die Wand genagelt / nachts erzähle ich ihnen das Märchen vom Rotkäppchen.“

Matar ist jung, geboren 1987 in Damaskus. Er gehört der Gruppe „Street“ an, Dokumentarfilmer und Journalisten in Syrien, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, „Albträume einzufangen“. Einen Albtraum bekommt das Publikum im Literaturhaus auf Film zu sehen. Eine Bombe ist hochgegangen, die wackelige Kamera zeigt zerstörte Mauern, verstörte Menschen, Schreie, Rufe, „Allahu akbar“ – Gott ist groß. Das ist starker Tobak. Dabei haben in den Medien neue Kriegsschauplätze die Bilder über Syrien längst ersetzt. Aber Maters Gedicht geht tief unter die Haut. Er zeigt, was das Grauen mit jedem von uns machen könnte. Da ist der „Drang zu ermorden…wobei der Tod nicht das Schlechteste ist…Angst, niemand erkennt dich mehr“. Die Zukunft seines Landes malt er in schwarzen Farben.

Im Gegensatz zu Matar wurde Qassim Haddad im Gefängnis nicht gefoltert. Er wurde wegen seiner linksgerichteten politischen Aktivitäten verhaftet, nicht wegen seiner Lyrik. Haddad ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen arabischen Lyriker, 20 Bände mit seinen Werken sind in englischer Sprache erschienen. Alle deutschen Übersetzungen für diesen Abend stammen von Leila Chammaa, die auch die Gespräche übersetzt. Früher habe er im Gefängnis geschrieben, sagte Haddad, 1948 in dem kleinen Inselstaat Bahrain geboren. Heute brauche er die Ruhe, die er in Deutschland gefunden habe.
Poetische Quelle bleibt für ihn das Meer, genauer: die Süßwasserquellen auf dem Grunde des Meeres um Bahrain, das „zwei Meere“ bedeutet; dort wachsen Perlen. Über sein Volk dichtet er: „Wir stellen uns selber die Fallen…für jede Peitsche ziehen wir eine neue Haut über.“

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