übersetzt von Stefan Weidner
1
Ah, wie sehen,
wo doch das Auge beschnitten ist?
Und ist dies eine Erde
oder ein Waschstein?
Und was ist dieser Weg, der sich vom Harem zum Paradies erstreckt?
Und diese Frau, die nur vom Rücken ihres Dieners durch das Fenster die Bahre sehen kann?
Und diese nutzlosen Wasserhähne aus dem Rost einer Kehle?
Und diese Sterndeuter, welche die Fliegen nicht in den Himmel schauen lassen?
Und diese Labyrinthe, die zu einem Hundebiß führen?
Aber ich weiß nicht, ob es zwischen Westen und Osten einen Schleier und einen Rosenkranz aus Sünden gibt.
2
Wie könnte deine Hand nicht zur Hure werden,
wo du doch jeden Tag malst?
Und was geschieht mit ihr, wenn die Leinwand ein Feld wird und dein Auge eine Krähe?
Und was hätten Monet, Renoir und Pissarro gemacht, wenn sie nicht hinaus an die frische Luft gegangen wären?
Und was wäre dann die Farbe der Narrheit, wenn nicht gelb?
Und was wäre ein Pinselstrich wert, wäre er nicht scharf wie eine Klinge?
Hast du dieses Gesicht gesehen, das einem Stück Brot ähnelt,
und Frauen wie Kartoffelknollen
und eine Sonne, die für keinen Morgen taugt?
Was hätte Matisse gemacht, hätte er nicht in eine rote Hose gefurzt?
Und was wäre dieser Tisch, hätte er nicht gewartet, bis Van Gogh aus der Ödnis des Krankenhauses gekommen wäre?
3
O Ingres,
warum beginnt der Körper beim Rücken?
O Degas,
wer tanzt,
die Hüfte oder der Hunger?
O Michelangelo,
was ist die Renaissance anderes als die Renaissance des Körpers ?
Und wäre die Entdeckung Amerikas möglich gewesen vor der Entdeckung der Falten des Körpers?
Ich vergaß, wie ich in diese völlig verfallene Bar geraten war, wo Manet in seiner öligen, zusammengeschrumpelten Hose stand, Bonnard einer Frau half, ihr Hemd auszuziehen, und Matisse einen Frauenschenkel mit dem Blau seiner Augen malte. Sonst sah ich niemanden.
Doch an der Tür erkannte ich noch Modigliani, der gerade versuchte, das Fahrrad einer Frau zu besteigen, die sich aus Versehen vornüberbeugte.
[ 1994]
Die Farbe der Ferne.
Moderne arabische Dichtung. Hrsg. u. übersetzt von Stefan Weidner.
München: C.H. Beck 2000, S. 218-220.
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